[Yukiko Sakamato]
11:41 Uhr - Schulgebäude, Block A - Krankenzimmer im ersten Stock
Selbst als Takeshi sie sanft auf das Bett absetzte, registrierte sie nicht, wo sie sich befand. Er fing an zu sprechen, worauf sie wieder schüchtern den Blick hob und den Augenkontakt suchte. Sein Gesicht verriet ihr nichts über seine Gedanken, seine Stimme war ruhig und beherrscht. Diese Ruhe griff in kleinen Teilen auf sie über, während sie ihm schweigend zuhörte.
"Ich weiß nicht, wie dein früheres Leben war, aber es dürfte kein leichtes gewesen sein..." Seine Worte ließen erneut Bilder in ihr aufleben, die sie am liebsten vergessen hätte.
'Wie soll ich das jemals akzeptieren können? Mein Vater hat mir all das angetan, ich habe alles für ihn ertragen und dann ließ er mich ohne jegliche Anstrengung fallen. Ich habe alles verloren, was ich mir je eingebildet hatte zu haben!'
Als er dann seine Hand hob, riss er sie aus ihren Gedanken. Instinktiv zuckte sie zusammen, kniff die Augen zusammen und drehte ihren Kopf ruckartig von ihm weg. Als der Schlag jedoch ausblieb und er ihr stattdessen über die Haare strich, sah sie wieder auf. Sie öffnete ihre Mund, doch fand sie keine passenden Worte. Also schloss sie ihn wieder und hörte ihm weiter zu.
"Ich denke, dass niemand hier ein glückliches Leben geführt hat! Es scheint sogar eine Art Grundvoraussetzung zu sein, um überhaupt in diese Welt zu gelangen. Die Schüler in dieser Welt sollen etwas erleben können, was ihnen im vorherigen Leben nicht vergönnt war... eine sorglose Schulzeit!"
Wieder wandte sie sich von ihm ab und richtete ihren Blick auf die weißen Bezüge des Krankenbetts.
"Akzeptiere ich alles, habe ich mich kein Stück verändert. Ich würde weiterhin zusehen wie andere vor meinen Augen sterben, ohne auch nur einen Finger zu krümmen!", flüsterte sie und zog unbewusst stärker an Takeshis Jacke. Ein letztes Mal wagte sie es Blickkontakt aufzubauen. Doch als sie sah, dass sein Gesicht noch näher an ihrem befand, als vorher, gefror sie in ihrer Bewegung.
'Er will doch nicht...', schoss es ihr durch den Kopf. Doch dann wurde ihr bewusst, wo sich ihre Hände befanden. Schlagartig spürte sie wieder das Pochen ihres Herzens. Vor Schreck weiteten sich ihre Augen und ihre Wangen wurden heiß. Sofort ließ sie ihn los, stotterte ihm eine Entschuldigung entgegen und wollte rückwärts von ihm weg krabbeln. Doch ihre Bewegungen waren noch so unkoordiniert, dass sie es schaffte die Bettdecke unter sich zum rutschen zu bringen. Sie verlor den Halt und landete mit einem erschrockenen "Kya!" auf ihrem Rücken. Für die Dauer eines Wimpernschlags starrte sie Takeshi an, bedeckte dann aber ihr Gesicht mit den Händen und schluchzte leise.
"Tut mir leid", flüsterte sie. In Gedanken fügte sie hinzu: 'Heute mach ich alles falsch. Selbst gegenüber denjenigen, die mir helfen wollen... Hätte ich nicht einfach sterben können?'