• Offizieller Beitrag

    Distanz


    Mitten im samtigen Schwarz des Weltalls öffnete sich eine strahlende Aura, von der Lichtwellen in blau, gelb und rot wie kleine verästelte Blitze ausgingen, in deren Zentrum die Unwirklichkeit einer anderen Dimension lauerte. Der Rumpf eines schlanken Schiffskörpers mit schwingenartigen Auswüchsen schob sich aus dieser anderen Existenzebene in das hier und jetzt. In seinem Inneren war die Besatzung angespannt und wartete auf die erste Auswertung der wieder angelaufenen Sensoren des Schiffes. Im nächsten Augenblick warnte die Ortung vor einem anderen Schiff, dass sich bereits in diesem Sonnensystem befand.


    Die ungläubigen Blicke der Besatzung richteten sich auf das Schiff, das vor ihrem, gerade aus dem Langdistanzsprung aufgetauchten Trägerschiff, im All trieb.
    Der Schiffstyp war eindeutig von der Erde, aber das Design war irgendwie veraltet.
    „Bekommen wir ein Erkennungssignal?“ fragte Captain Schulick. Sein Blick wanderte an dem angeschmolzenen Heck des kleinen Schiffes entlang.
    Das Schiff hatte einiges mitgemacht, aber es hatte noch Energie.
    „Ja, Kennung eines Erdschiffes. Aber die Signatur kommt aus dem Archiv!“
    „Wir sind hier doch in unerkundetem Gebiet. Kommunikationslänge liegt bei 25 Jahren, 3 Monate und 4 Tage zur Erde“, erwiderte der Kommunikationsoffizier. „Bis von da eine Antwort eintrifft, sind gut fünfzig Jahre vergangen.“
    „Signal konnte verifiziert werden. Es ist noch aus der Zeit vor der Erdregierung“, kam es von der anderen Station.
    Captain Schulick blickte interessiert auf den schlanken Flugkörper auf dem Hauptschirm. Es musste eines der ersten Schiffe sein, dass die Erde auf der Suche nach den unbekannten Angreifern verlassen hatte. Also kurz nachdem ein Teil der Technologie der Angreifer entschlüsselt werden konnte! Darüber hatte er in der Schule noch einiges gelernt… im Geschichtsunterricht!
    Sie waren jetzt 25,3 Lichtjahre von der irdischen Sonne entfernt und das Licht des Sterns Wega war 37 mal heller, als das der Sonne. Nachdem die neue Trägerflotte endlich bereit war, hatte die Menschheit zum Gegenschlag ausgeholt und war in die Tiefen des Raumes gestartet. Nun waren sie hier im Wega System ausgerechnet auf ein Erkundungsschiff der Erde gestoßen!
    Viele dieser Ein-Mann-Tiefenraumer waren vor ca. 95 Jahren losgeflogen und für immer verschwunden!
    Zwar hatten viele noch Daten zur Erde gesandt, doch durch die großen Entfernungen hatten diese Daten viele Jahre gebraucht, selbst mit Lichtgeschwindigkeit! Leider hatte man bislang noch keine Möglichkeit gefunden, diese langen Laufzeiten zu verkürzen.
    „Keine direkte Kommunikation, Captain. Aber der Bordcomputer meldet sich einwandfrei. Aber wir stellen eine Diskrepanz fest!“
    Alarmiert wandte sich Captain Schulick zu der Station um.
    „Was für eine Diskrepanz? Wurde das Schiff vom Feind geentert?““
    „Nein, Sir. Aber die Zeit an Bord ist falsch! Dort wird das Jahr 2023 angezeigt, wir haben aber doch das Jahr 2118 aktuell…“, meinte die Kommunikationsoffizierin.
    „Das Schiff hat seit seiner Ankunft keine neuen Daten von der Erde bekommen!“ schloss jemand im Kontrollraum sofort daraus. „Das muss die Bordzeit sein!“
    In diesem Augenblick wurde einer der Kommunikationsbildschirme vorne in der Hauptgalerie hell.
    Darauf erschien ein recht junges Gesicht.
    „Hallo da drüben!“ begann es zu sprechen. „Ich hatte nicht so schnell mit Hilfe gerechnet!“
    „Sind sie… bist du der Pilot?“ Captain Schulick konnte sich bei dem jungen Gesicht irgendwie nicht auf ein förmliches Sie festlegen.
    Das Gesicht auf dem Bildschirm zeigte kurz Verwunderung. Die Augen schwenkten zur Seite und musterten dort wohl die Anzeigen.
    „Der Gravitationstrichter muss wohl eine Zeitverzerrung bewirkt haben…“, murmelte das junge Gesicht dann nur halblaut vor sich hin.
    Captain Schulick ruckte kurz vor. Diese leise Aussage war ein Schlüsselelement!
    Bei den weiter entwickelten Sprungantrieben hatten die Theorien der Gravitationseinflüsse ihre Anwendung gefunden, deshalb durfte ein Sprungantrieb auch nicht mehr in der Nähe von Gravitationesquellen eingesetzt werden. Ein Teil der verschwundenen Schiffe aus der Anfangszeit war wahrscheinlich bei solchen Sprungunfällen zerstört worden!
    Eine weitere Theorie beschäftigte sich mit den Auswirkungen bestimmter Gravitationsaspekte auf den Ablauf der Zeit. Sollte es möglich sein…?
    „Entschuldigen sie!? Ihre mitgebrachte Zeit erklärt einige der bisher für mich nicht nachvollziehbaren Auswirkungen!“ fuhr das Gesicht auf dem Bildschirm fort. „Die vorliegenden Fakten müssen wohl akzeptiert werden.“
    „Was meinen…?“ setzte der Captain an.
    „Zum einen sehe ich für sie wohl aus wie ein 15 jähriger Jugendlicher… Allerdings war ich bereits 42 Jahre alt bei meinem Start von der Erde“, fuhr er ohne zu warten fort. „Ich konnte auch einige Wochen erfolgreiche Vermessungsarbeiten leisten. Nach etwa fünf Monaten stieß ich auf die ersten Suchschiffe… Ab da war ich meist auf der Flucht! Nach meiner Zeitrechnung hatten sie mich dann vor sechs Tagen in die Enge getrieben und ich musste direkt an einer Sonne einen Sprung wagen… Dabei hat es meinen Sprungantrieb zerlegt und ich landete hier!“
    „Das klingt, als ob sie ohne Abschirmung in den Sprung gegangen sind!“ stellte Captain Schulick fest.
    „Mir blieb keine große Wahl! Sie hatten mich fast und sie sehen ja selbst, was sie dem Schiff angetan haben“, meinte der Pilot. Das sarkastische Grinsen wollte nicht so recht zu dem jungen Gesicht passen.
    „In den letzten fast hundert Jahren sind da wohl einige Fortschritte erzielt worden“ sprach der Pilot weiter. „Der Größe ihres Schiffes nach zu urteilen, haben sie wohl doch die Trägerklasse verwirklicht!“
    „Sie wissen offenbar einiges, Pilot!“ stellte Captain Schulick fest und band auch gleich seine Frage nach dem Namen mit ein.
    „Sie müssen schon entschuldigen, Captain. Als wir aufbrachen, waren wir darauf vorbereitet keinen Kontakt mehr zu Menschen zu haben. Entsprechend wurden wir schließlich ausgewählt!“ kam die Antwort und der Pilot lachte sogar.
    „Ihr Schiff sieht nicht so aus, als ob es alleine noch weiterkommen würde!“
    „Nein, der gesamte Antrieb ist geschmolzen! Da ist nichts mehr zu reparieren! Wäre ich in der normalen Zeitphase gesprungen, dann hätten sie hier wohl nur meine Mumie gefunden!“ gab der Pilot offen zu.
    „Können sie den Kanzelbereich als Rettungsboot schon einsetzen?“
    „Das ist möglich, ja!“


    Eine Viertelstunde später stand der Pilot des Fernaufklärers persönlich vor Captain Schulick. Da die Fernaufklärer mit nur einem Piloten ausgeschickt worden waren, war der Kanzelbereich der einzige Lebensraum gewesen. Inzwischen hatte man die Technik der Angreifer weitaus besser analysiert. Captain Schulick hatte an Bord der Nevertheless fast eintausend Besatzungsmitglieder und sie war nur eines von zwanzig Trägerschiffen, die mit ihren Geleitschiffen von der Erde gestartet waren.
    „Willkommen an Bord der Nevertheless, Pilot“, begrüßte er den wie ein Jugendlicher wirkenden Mann.
    „Ich freue mich, hier zu sein, Captain Schulick!“ antwortete dieser. „Auf der Erde nannte man mich mal Deckard, aber inzwischen bedeutet der Name nicht mehr so viel.“
    „Sie hatten sich eigentlich bereits damit abgefunden, niemals wieder einen Menschen zu sprechen?“
    „Das hatte jeder von uns, Captain! Mit diesen Fernaufklärern loszufliegen war damals eine als notwendig erachtete Maßnahme, um den Menschen einen Gegenschlag zu ermöglichen.“
    Captain Schulick blickte den jungen Mann vor sich an. Dieser junge Körper passte nicht wirklich zu den Augen, die schon viel mehr gesehen hatten. Eigentlich hatte sich der Pilot bei seinem Start damit abgefunden, niemals wieder ein menschliches Gesicht zu sehen.
    Nun war er plötzlich wieder jung und unter Menschen, die er nicht kannte. Irgendwie war diese Situation nicht nachvollziehbar.
    „Es ist alles etwas anders gekommen, als man es in den ersten Jahren nach dem Überfall gedacht hatte. Meldungen trafen nur wenige von den Fernaufklärern ein, da selbst bei Lichtgeschwindigkeit die Entfernungen überwunden werden mussten. Die ersten Meldungen trafen Mitte 2023 ein, weil die Schiffe im näheren Umkreis ihren ersten Austritt gemacht hatten. 2031 trafen dann weitere Meldungen ein, die aus den ersten erreichten Sternsystemen kamen. Danach kam dann nichts mehr. Inzwischen war die Erdregierung gebildet worden und ein neues Konzept aufgestellt. 2024 waren die letzten Langstreckenscouts gestartet, danach wurden die Konstruktionen überdacht. 2031 waren schon einige Fregatten und Zerstörer neu Konstruiert worden. Der erfolgreiche Einsatz der CB hatte ja die Entwicklung von Trägerschiffen bereits zu ihrer Zeit angezeigt, aber die Größe der Sprungantriebe war nicht so schnell erreichbar. 2048 kamen noch ein paar verstümmelte Meldungen, die aber keine Spur der Feinde enthielten. Inzwischen war die Forschung weiter voran getrieben worden. Die ersten Träger waren zwei Jahre später für den reinen Interplanetaren Einsatz in Dienst gestellt worden. Damit begann die Ausbildung einer neuen Generation von Weltraumpiloten!“ setzte der Captain den Piloten kurz ins Bild. Er sollte zumindest eine Ahnung dessen haben, was inzwischen passiert war.
    „Dann hat man die Zeit wenigstens gut genutzt!“ meinte Deckard ruhig. Überhaupt schien er mit der Situation ziemlich gut zu Recht zu kommen.
    „Gehe ich recht in der Annahme, dass sie nicht unbedingt zur Erde zurück wollen?“
    „Captain, ich wäre dort nur ein Fremder. Falls sie mich hier an Bord gebrauchen können, dann würde ich lieber hier bleiben!“ kam sofort die Antwort. „Hier sind alles Raumfahrer, die sich eine Vorstellung von den Distanzen im All machen können. Auf der Erde wüssten die wahrscheinlich nicht mal, wie weit die Wega entfernt ist!“
    Captain Schulick nickte zustimmend.
    „Ehrlich gesagt habe ich gehofft, dass sie so etwas sagen würden!“ gab er offen zu. „Mehr als zwei Drittel der Besatzung sind Jugendliche, die bei dem langen Außeneinsatz nach und nach in die Führungspositionen reinwachsen sollen. Jemand mit Erfahrung im Tiefenraumflug ist eine unschätzbare Bereicherung für uns!“

    • Offizieller Beitrag

    Das Murmeln und die Geräusche all dieser Menschen an Bord dieses großen Schiffes wirkten fast schon überwältigend. Dabei fiel auch ins Auge, das viele Besatzungsmitglieder noch sehr jung waren.
    Wahrscheinlich gab es nur eine erwachsene Kommandocrew, während der Rest sich aus Jugendlichen zusammensetzte, die mit der neuen Technik bereits aufgewachsen waren. Viele Augen folgten meinem Weg durch die Gange und Räume des Schiffes. Ancestor vernahm ich dabei des Öfteren. Also hatte sich an der Geschwindigkeit bei der Verbreitung von Neuigkeiten noch nichts geändert.
    Man brachte mich zu einer Mannschaftskabine, die sogar größer als mein bisheriger Lebensraum war. Für mich war die Dusche der erste Kontakt mit frischem Wasser, da die Bordsysteme der Fernaufklärer ein Recyclesystem verwendeten.

    Natürlich würden auch hier solche Systeme verwendet sein, aber die Grundmengen waren bedeutend größer und lange war dieses Schiff noch nicht unterwegs.
    Nachdem ich geduscht hatte und mich mit einer Borduniform neu eingekleidet hatte war ich direkt in eine der Kantinen gegangen, um endlich mal wieder was anderes als Konzentratnahrung zu essen. Mit der Bordkleidung war ich nicht mehr von den übrigen Besatzungsmitgliedern zu unterscheiden, so dass mir diesmal nicht so viel Aufmerksamkeit gezollt wurde.
    Mir war diese Tatsache sehr recht, da ich mich unter den vielen Menschen eher unbehaglich fühlte. Deshalb zog ich mich mit dem Tablett dann auch in eine ruhigere Ecke des Raumes zurück und versuchte möglichst nicht aufzufallen. Der Geruch von richtigen Lebensmitteln ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mit Appetit machte ich mich darüber her.
    „Ist hier noch frei?“ unterbrach eine Stimme meine Nahrungsaufnahme.
    Da ich mich nicht mehr um meine Umgebung gekümmert hatte, wurde ich davon überrascht. Als ich aufblickte stand da ein junges Mädchen mit vielen Zöpfen, die zu einem komplizierten Gebilde zusammengesteckt waren, vor mir.
    Da ich den Mund gerade ziemlich gut gefüllt hatte, machte ich eine Geste mit der linken Hand. Sie nahm mir direkt gegenüber Platz.
    „Ich bin Mirea Tharsis, Pilotin bei den CB“, stellte sie sich dabei vor. „Ich habe dein Gesicht vorher noch nicht gesehen. Kamst du erst kurz vor dem Sprung an Bord?“
    Nach ihrer Frage begann sie ihren Salat zu essen.
    Ich kaute erst einmal weiter. Sie war höchstens sechszehn Jahre alt, trat aber mit einer Sicherheit auf, die ihr Alter Lügen strafte.
    „Ich bin Deckard, Langstreckenscout. Kam gerade erst hier im Wega System an Bord. CB steht für ChangeBots, richtig?“ antwortete ich mit leerem Mund. Sie nickte, während sie mich weiter musterte.
    „Von Langstreckenscouts hab ich nur im Geschichtsunterricht gehört. Nach den ganzen Verlusten der Fernaufklärer wurde diese Art der Erkundung eingestellt. In den Jahren 2022 bis 2024 wurden 183 Fernaufklärer gebaut und ausgeschickt. Davon kehrten ganze drei zurück. Heutzutage gibt es die Teilflottentaktik und deshalb braucht man keine Langstreckenscouts mehr!“ erwiderte sie mit einem leicht verbissenen Gesichtsausdruck.

    Ich hatte mir inzwischen den nächsten Bissen in den Mund geschoben und sparte mir die Antwort. Ihr Ärger war leicht nachzuvollziehen. Schließlich sah ich nicht wie ein Erwachsener aus und behauptete trotzdem ein Langstreckenscout zu sein.
    „Demnach versuchst du dich hier nur interessant zu machen!“ fuhr sie fort, während ich kaute. „Da du ChangeBots kennst, kannst du kein Maschineningenieur sein.“
    „Hey, Mirea! Wer ist denn das?“ mischte sich eine neue Stimme ein.
    Ein weiteres Mädchen mit Schleifen im Haar nahm neben der Pilotin Platz.
    Der Speiseraum hatte sich inzwischen ziemlich gefüllt, so dass nicht mehr viele Plätze zur Verfügung standen.
    „Ein Aufschneider!“ murrte Mirea ärgerlich.
    Das neue Mädchen musterte mich mit großen Augen.
    „Aber… aber das ist doch… der Pilot des Langstreckenaufklärers, den wir nach unserem Austritt im Wega System aufgespürt haben!“ stieß sie dann aus.
    Offenbar war sie in der Kommandozentrale gewesen und hatte mein Gesicht auf dem Bildschirm gesehen. Auch die Pilotin sah mich nun irritiert an.
    „Das war keine Aufschneiderei?“
    „Nein, war es nicht!“ erwiderte ich mit wieder leerem Mund. „Gestartet im Frühjahr des Jahres 2023 und 27 Wochen im Aufklärungseinsatz gewesen.“
    Jetzt blickten mich beide verwundert an.
    „Raum-Zeit-Sprung!“ warf ich auf die unausgesprochene Frage ein. „Ein Sprung im Gravitationsfeld einer Sonne mit defekter Abschirmung!“
    Mirea war nicht umsonst Pilotin.
    „Wie alt sind sie wirklich?“ Alleine diese Frage bewies ihren klaren Kopf!
    „Nach meiner bisherigen Zeitrechnung 43 Jahre!“ erwiderte ich betont ruhig.

    Die Gesichter der beiden wären echt nen Foto wert gewesen.
    „Ist es nicht schwer, wenn man alles, was man kennt einfach hinter sich lässt?“ fragte die Kleine mit den Schleifen.
    Diese Frage überraschte mich etwas.
    „Lynea, die Langstreckenscouts wurden auf der Basis dieser Fähigkeit unter den Freiwilligen ausgewählt! Jeder von ihnen wusste von vorne herein, dass er die ihm bekannte Erde nicht wiedersehen würde. Es waren die ersten Schiffe, die einen Typ 1 Sprungantrieb eingesetzt haben!“ antwortete Mirea statt meiner.
    „Typ 1? Aber der hatte doch eine Menge Fehlfunktionen und wurde schon 2025 durch den Typ 2 ersetzt!“ wunderte sich Lynea.
    „Ja, es waren die ersten Sprungantriebe, die nach einer Teilentschlüsselung der erbeuteten Technik angefertigt wurden! Wir haben ihn damals den Einmal-Weg! genannt“ gab ich lachend zu. Im Endeffekt hatten wir uns mit halbfertigen Prototypen auf den Weg gemacht!

    „Haben sie den Angriff der Assault selbst miterlebt?“ fragte Mirea.
    „Jeder von uns, die damals aufgebrochen waren, hat den Angriff selbst miterlebt!“ bestätigte ich ihr. „Die fremden Flugobjekte tauchten aus dem Nichts auf. Knapp ein Jahr zuvor waren die Ruinen auf dem Mars entdeckt worden. Nach den Auswertungen war es ein einzelnes Trägerschiff, das seine Kampfmaschinen absetzte, mit zwei Begleitschiffen. Diese griffen die Mondbasen und die Raumstationen an. Danach brausten sie über den Globus. Viele Großstädte waren danach nur noch Trümmer! Aber dann stiegen die ersten CB auf, die nach den Funden aus den Ruinen gebaut worden waren und teilten aus. Während sie dreiundzwanzig Einheiten verloren, waren wir aus dem Gefecht ohne Verluste hervorgegangen!“ 2017 war ein hartes Jahr für die Menschen gewesen! Dieser Angriff hatte trotz seiner Kürze den Tod von einem Drittel der Erdbevölkerung zur Folge! Aber alle hatten nur zum Himmel geschaut.
    Es war nie eine Erklärung wegen des Angriffs erfolgt. Die verbliebenen Kampfeinheiten kehrten zu dem Trägerschiff zurück. Eines der kleineren Begleitschiffe war noch aufgehalten worden, während der Rest wieder aus dem Sonnensystem sprang.
    „Wir kennen es nur aus den alten Filmen“, sagte Lynea.
    „Seid froh darüber! Die große Frage der Menschheit war zwar beantwortet worden, aber zu welchem Preis?!“ brauste ich auf. Dieses Ereignis lag für mich noch kein Jahrzehnt zurück, während es für die Besatzung der Nevertheless schon über 100 Jahre zurück lag!

    „Es ist für uns eigentlich nicht nachvollziehbar, wissen sie?!“ meinte Lynea vermittelnd. „Wir wuchsen mit der Technik der CB auf.“
    Meine Augen wurden blicklos, als ich in die Vergangenheit schaute. Nur durch den Entwicklungsschub der in den Ruinen auf dem Mars gefundenen Artefakte hatten wir überhaupt etwas ausrichten können! Neue Legierungen und ein Verfahren zur Metallgitterstrukturbeeinflussung hatten neuartige Entwicklungen zugelassen. Mechanische Exoskelettpanzer, die um den Piloten herum verschiedene Formen annehmen konnten. Angetrieben durch neue Hochenergiemeiler waren diese transformierbaren Waffenträger allen anderen Militärprodukten auf der Erde überlegen.
    „Von der ersten Generation der CB gibt es nur noch ein Exemplar im Museum. Sie wirken im Gegensatz zu unseren Maschinen noch sehr klobig“, sinnierte Mirea nachdenklich und spielte mit der Gabel.
    Ich beobachte sie dabei. Obwohl wir hier am Tisch vom selben Planeten kamen, lagen doch gute 100 Jahre dazwischen. Vieles, was für die Menschen hier an Bord alltäglich war, kam mir fremd vor!

  • Abend, Soul.


    Ich habe mir gerade deine Story hier mal durchgelesen:


    Dein Erzählstil ist flüssig und relativ klar.
    Aber deine gelegendlichen Ausfälle in Richtung Umgangssprache und die Ausrufungszeichen im erzählenden Text stören ein wenig. Ich kenne diesen Tick zum Ausrufungszeichen bereits aus dem RPG, aber in einem Roman ist das in dieser Häufigkeit leider fehl am Platz. Der Leser versteht die Deutlichkeit der meisten Sätze auch mit einem einfachen Punkt.
    Z.Bsp:
    Zitat: "Obwohl wir hier am Tisch vom selben Planeten kamen, lagen doch gute 100 Jahre dazwischen. Vieles, was für die Menschen hier an Bord alltäglich war, kam mir fremd vor[.]" Der Satz verliert hier wegen dem Punkt keineswegs an Tragweite und verleiht ihm durch die andere Betonung auch noch mehr Seriösität und Tiefe. Abgesehen davon lässte eine ruhigere und gefasstere Erzählung den Erzähler viel glaubwürdiger wirken. (ich rede hier nur[!] vom erzählenden Text, wörtliche Rede ist ein ganz anderes Kaliber.)
    Allerdings musst ich im gleich Zug sagen, dass eben diese Unstimmigkeit deinem Erzählstil einen besonderen Touch und einen schönen Wiedererkennungswert geben.


    Da stellt sich jetzt die Frage, ob du auf diesen diesen Wiedererkennungswert setzen willst, wobei du riskierst, dass sich der eine oder andere unterfordert und/oder veräppelt fühlt, obwohl du das gar nicht wolltest, oder ob du deinen Erzählstil änderst und riskierst einen One-like-the-other Erzählstil zu bekommen ...


    Zum Inhalt:
    Da hab ich eigendlich noch nicht viel zu sagen, da du auch noch nicht so viel geschreiben hast. Aber eine ganz warme Empfehlung von Autor zu Autor:
    Setz noch einen Textblock vor den Anfang, in welchem du diese Begegnung und vielleicht noch das Ende dieses Kampfes beschreibst. Das würde diesen "Ähm ... Moment! Zeitreise!? O.Ô"-Effekt um ein vielfaches verstärken.^^


    Die letzte Anmerkung die ich habe, ist schlichtweg, dass du auf jeden Fall weiter schreiben solltest.^^

    mfg
    Chaos-Mod
    Dissi
    [SIGPIC][/SIGPIC]
    [HR][/HR]
    Bei Fragen & Problemen einfach eine persöhnliche Nachricht (PN) an mich oder meine Kollegen schicken!
    Bei Computer-Problemen helfe ich auch gerne.

    • Offizieller Beitrag

    Irgendwie war das Gespräch bei dem Thema eingeschlafen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Der Geschmack von richtiger Nahrung war doch etwas vollkommen anderes, als wenn man tagtäglich Konzentrate zu sich nahm.
    Inzwischen war der Speisesaal komplett gefüllt, so dass sich Leute in einem Wartebereich aufhielten, um dann auf frei werdende Plätze zu gehen.
    Ein gewisses Gefühl des Unwohlseins stellte sich in mir ein. Zwischen so vielen Menschen zu sitzen war ich einfach nicht mehr gewohnt. Und eigentlich hatte ich es auch vorher schon nicht gemocht.
    Dies gehörte in gewisser Weise zu den Auswahlkriterien, die man für Langstreckenscouts damals angelegt hatte. Jemand, der täglich Kontakt zu anderen brauchte, würde alleine im All nicht lange durchhalten. Sicher, der Raumkoller konnte jeden packen, aber es ging bei den in sich ruhenden Charakteren nicht ganz so schnell.
    Man wurde ja hinaus ins Unbekannte geschickt, um Koordinaten und Flugrouten zu vermessen, die dann von nachfolgenden Kampfflotten der Erde benutzt werden sollten.
    Die Situation ließ sich ganz gut mit der eines Überlebenden in einem Schlauchboot auf dem Ozean vergleichen, nicht nur, weil das einer der Tests gewesen war.

    „Mirea Tharsis, deine Staffel wird die erste Erkundung im Sektor übernehmen!“ riss mich eine Stimme aus den Gedanken. Am Tisch stand ein Raumoffizier mit mir unbekannten Abzeichen an der Uniform.
    Die Erinnerungen an die Vergangenheit glitten wieder in den Hintergrund. Dies war ein Kampfschiff und es befand sich weit weg von dem Planeten Erde.
    Der Blick des Offiziers streifte mich kurz und scheinbar versuchte er mich einzuschätzen. Da meine frische Borduniform keinerlei Kennzeichnung trug, war das ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.
    „Da wir erstaunlicherweise bereits Daten über mehrere Quadranten dieses Systems besitzen, werden die inneren Planeten Ziel der Erkundung sein!“ fuhr er dann fort. Die Pilotin nickte schweigend. Die Stimmung der übrigen am Tisch war schlagartig gedämpft. Der Offizier bewegte seinen Kopf ruckartig und schritt dann davon.

    „Das mit den Daten haben wir wohl ihnen zu verdanken?“ wandte sich Mirea wieder an mich.
    „Ich hatte nicht viel anderes zu tun, nachdem mein Antrieb sich verabschiedet hatte“, bestätigte ich ihre Vermutung. „Allerdings verstehe ich die Reaktion auf die inneren Planeten nicht!“
    „Seit sie die Erde verlassen haben, ist noch vieles mehr passiert!“ erwiderte Mirea ernst. „Die Assault sind zwar noch nicht wieder persönlich in Erscheinung getreten, aber sie haben viele Installationen hinterlassen, die Flotteneinheiten der Erde zum Verhängnis wurden!“
    Dem Schweigen der anderen nach zu urteilen hatte sie mit diesen Worten keineswegs übertrieben.
    „Ihre Technik ist der unseren in einigen Aspekten immer noch überlegen, obwohl wir viel mehr von ihrer Technik entschlüsselt haben, als damals in der Anfangszeit!“
    „Sie haben ganze Flotten mit diesen Installationen in verschiedenen Systemen vernichten können!“ ergänzte Lynea.
    „Dabei handelte es sich um eine Art von Planetenkiller, der dann mit dem Planeten auch alle Schiffe im Umfeld ins Verderben riss. Sie wurden immer im Bereich der inneren Planeten installiert, die der Lebenszone unserer Spezies entsprechen!“

    Das erklärte die gedrückte Stimmung ziemlich umfassend.
    Man rechnete inzwischen wohl schon fast mit dem Tod, wenn der Bereich der inneren Planeten angesteuert wurde. Das entsprach so gar nicht dem Verhalten, das ich von den Menschen gewohnt war. Die Personen um mich herum kamen mir noch fremder vor.
    „Was unternehmt ihr denn gegen diese Sprengfallen?“ erkundigte ich mich.
    „Wir versuchen, den verursachten Schaden durch die Erkundung zu minimieren!“ erklärte Lynea.
    Jetzt musste mein Gesichtsausdruck wohl ein Foto wert sein!
    Sie rechneten von vorne herein mit Verlusten, ohne sich deswegen noch zu wehren. Alleine an den Gesichtern war dieser Punkt klar zu erkennen. Sie akzeptierten eine Lage, ohne diese noch verändern zu wollen.
    „Hat noch niemand diese Vorrichtungen entschärft?“ hakte ich trotzdem nach, um sicher zu gehen.

  • Ich lese nicht wirklich oft eine SF-Geschichte, deshalb bin ich nicht ganz so bewandert mit allen Fachausdrücken und den ganzen Rest. Aber sie ist sehr interessant geschrieben und trotzdem leicht zu lesen. Wie ich sehe, wird es auch eine mehrteilige Geschichte, und vermisse auch hier den Diskus-thread, einfach, weil man das auch so durch lesen kann.


    Schreibstil gefällt mir, locker und leicht, Fehler wurden ja schon genannt, werde ich also nicht wirklich wiederholen. Ich bin gespannt, wann du den nächsten Teil posten wirst.

    • Offizieller Beitrag

    2. Honey Trap

    Die Staffel von 16 ChangeBots bewegte sich mit dem Bewegungsimpuls ihres Katapultstartes auf die inneren Planeten des Systems zu. Die Menschen im Inneren der Kampfmaschinen waren nervös. Seit die Assault die Erde 2017 ohne jeden Grund angegriffen hatten, war es zu weiteren Zusammenstößen gekommen, die für die Menschen immer unschön ausgegangen waren.
    Warum diese Rasse die Menschen angriff und was hinter ihrer Kompromisslosigkeit steckte, hatte man nicht ergründen können!
    Mirea Tharsis hatte ihre Staffel in eine Delta-Formation gebracht und beobachtete die Kontrollschirme, die von den Systemen in ihr Gesichtsfeld projiziert wurden.
    „Bis hierher ging alles gut…“ murmelte sie den Spruch des Aufklärungscorps leise vor sich hin.
    „…sagte der stürzende Mann, als er das dreißigste Stockwerk erreichte!“ erklang eine Stimme aus ihrem Kommunikator.
    Mirea zuckte zusammen, denn eine solche Antwort hatte sie nicht erwartet.
    Deckard, der Langstreckenscout, schien dem Spruch eine weitaus ältere Bedeutung zuzumessen.
    Nachdem dieser die Frage im Kantinenbereich gestellt hatte, ob noch nie jemand versucht hatte, eine planetare Sprengfalle zu entschärfen, war dieser Punkt von der Einsatzplanung aufgegriffen worden. Durch die Verluste, die diese Sprengvorrichtungen verursachten, waren die Vorstöße der Menschen immer wieder zurückgeworfen worden.


    „Wenn alles immer nur von der Erde aus starten muss, dann sind die Chancen bei der Ausdehnung des Universums nur als lächerlich bis nicht vorhanden zu sehen, dass man die Assault jemals zu fassen bekommt!“ hatte er gemeint.
    Mirea wusste, dass das Flottenkommando unbedingt eine weitere planetare Basis haben wollte und deshalb die Verluste immer wieder in Kauf nahm. Das nun der Langstreckenscout einen Punkt ansprach, den schon seit vielen Jahren niemand mehr aufgebracht hatte, zeigte ich die Scheuklappen, die in der heutigen Zeit getragen wurden.
    Es hatte bislang niemand geschafft, eine dieser Planetenbomben zu entschärfen, also hatte man diesen Aspekt einfach als gegeben akzeptiert.
    „Wenn sie auf eine Chance warten, dass diese Wesen ein Sonnensystem vergessen haben, dann könnte das ziemlich lange dauern!“ hatte er den Offizieren direkt ins Gesicht gesagt.
    Als diese dann ausführten, dass ja niemals ein Sprengsatz erreicht worden ist, hatte er ihnen eine ungewöhnliche Gegenfrage gestellt.
    „Die Assault haben die Energiesignaturen der Menschen genauestens erfasst, warum sollten sie also dieses Wissen nicht auch nutzen?“
    In der darauf folgenden Diskussion wurde schnell klar, dass man sich irgendwie gar nicht mit der Art der Zündung bei den planetaren Bomben auseinander gesetzt hatte. Die fantastische neue Technik, die den Menschen vorher nicht zur Verfügung gestanden hatte, hatte wohl die Lösung für die Leute in den führenden Positionen dargestellt.

    Nun waren sie hier draußen, um etwas Neues auszuprobieren…
    Wenige Lichtsekunden vor der Formation der Changebots trieb eine kleine Kapsel, in der sich der Langstreckenscout befand. Diese hatte keinen Energiekern und besaß auch keinen Antrieb, von kleinen chemischen Korrekturdüsen abgesehen.
    Jede Sonne hatte eine bestimmte Zone, in der sich menschenähnliches Leben entwickeln konnte, was man auf der Erde einmal Biozone genannt hatte. In diesem Bereich wurde von den Menschen auch nach geeigneten Planeten gesucht.
    Diesmal stand der Nevertheless aber ein Datensatz des Sonnensystems zur Verfügung, so dass ihre Fahrzeuge nicht zur Erkundung aufbrechen mussten. Deckard hatte bereits einen Planeten mit einer geeigneten Ökosphäre gefunden, den er mit seinem Schiff auch bereits erreichen wollte.
    Nun befand sich die Kapsel auf dem Weg zu genau diesem Planeten.

    Mirea hielt die Kapsel mit ihrem Signallaser für die Kommunikation fest, so dass Deckard auch dafür keine Energie brauchte. Die ChangeBots hatten ihren Energieverbrauch auf ein Minimum gesenkt, so dass die Gefahr einer Ortung weitestgehend ausgeschlossen war.
    Der Kurs ihrer Staffel war so angelegt, dass sie ohne Energieverbrauch an dem Planeten vorbeitreiben konnten, falls der Plan nicht funktionieren würde.
    Der Langstreckenscout wollte mit der Kapsel nach alter Art einen Atmosphäreneintritt vornehmen und dann mit etwas, dass man Fallschirm nannte, auf der Oberfläche landen.
    Diese Kapsel war vorher mal ein Teil seines Schiffes gewesen, eine Art von Rettungsfahrzeug. Mirea hatte etwas Ähnliches in ihrer Kindheit im Museum gesehen. Aber im Zeitalter der Quantenmeiler war dieses Fahrzeug so antiquiert, dass niemand auf eine solche Idee gekommen wäre.
    Eine energielose Landung, die größtenteils wie ein Meteoriteneintritt verlief, würde eine automatische Anlage vielleicht hinnehmen, ohne den Planeten zu zerstören.

    „Eintritt in die Orbitalbahn steht bevor!“ kam die kurze Meldung von Deckard. „Die Atmosphäre scheint etwas dichter zu sein. Landmassen sind zu erkennen. Passive Messung ergab eine Energiequelle.“
    Nach seinem Plan wollte er in der Nähe der vermuteten Anlage landen, da er einen Eintritt in den Orbit nicht riskieren konnte. Die Daten von den Messsonden, die er in das System geschickt hatte, hatten einen direkten Anflug ermöglicht.

    • Offizieller Beitrag

    Der Ruck, mit dem sich die Fallschirme öffneten, schlug unangenehm bis in die Kapsel durch. Das einem Kommandomodul der Lunaraketen nachempfundene Kapseldesign war vor knapp 100 Jahren schon lange getestet gewesen. Nur eben nicht gerade bequem!
    Ich versuchte, meine verspannten Kiefermuskeln durch ein paar Bewegungen wieder zu entspannen, während die Fallgeschwindigkeit stark gebremst wurde.
    Den Blick fest auf den Höhenmesser gerichtet wartete ich noch einige Sekunden, bevor ich die Schirme wieder abwarf.
    Schließlich konnte ich hier nicht schön langsam dem Boden entgegen segeln, während irgendetwas dort misstrauisch den Himmel absuchte! Viel mehr machte ich hier einen Drop In, wie ihn die Militärdoktrin wohl entwickelt hätte, wenn jemals Kampftruppen auf einem Planeten abzusetzen gewesen wären.

    Die Kapsel schaukelte kurz, als die Bremsschirme sich aus den Verankerungen mittels Sprengbolzen lösten. Wieder begann die Kapsel zu stürzen.
    Ich hatte die Hand um den Auslöser des zweiten Fallschirmpaares gelegt und starrte weiterhin auf den Höhenmesser. Aus alten Aufzeichnungen wusste ich noch, dass die Kapsel momentan noch eine Rauch- und Hitzewolke mit sich zog, die nun aber durch die vorbeiströmende Luft rasch verschwinden würde. Um nicht zu sehr wie ein technisches Erzeugnis auszusehen, musste ich mit dem Auslösen des zweiten Schirmes möglichst lange warten. Andererseits war mir auch nicht geholfen, wenn ich mich stumpf in den Boden bohrte.
    Die Sekunden reihten sich aneinander bis der Höhenmesser endlich auf dem richtigen Wert angekommen war und ich den Auslösehebel des zweiten Schirmes betätigen konnte.
    Erneut klackten die Zähne aufeinander, als der Fall drastisch gebremst wurde. Die Geschichte mit dem Zunge abbeißen erhielt doch gleich sehr viel mehr Substanz, wenn man sich in einer entsprechenden Situation befand.

    Die von der kleinen Sonde übermittelten Daten über die Atmosphäre hatten sich als richtig erwiesen, so dass ich ohne Schutzanzug aussteigen konnte. Einzig die Luftfeuchtigkeit war in dieser Region zu niedrig, dass ich eine Befeuchtermaske tragen musste.
    Nachdem ich die Luke erst einmal aufgesprengt hatte, gab es eh kein Zurück mehr. Nach einer kurzen Orientierung hatte ich die Position des einzigen Bauwerkes wieder gefunden und setzte mich in Bewegung.
    Da man mich weder abgeschossen hatte, noch der Planet explodiert war, schien mein Plan doch eine gute Grundlage zu haben. Dass die Menschen bislang immer einem bestimmten Schema gefolgt waren, hatte sich auf die getroffenen Maßnahmen ausgewirkt. Die Assault hatten ihre Maßnahmen über Jahrzehnte an dieses Verhalten angepasst, so dass eine manuelle Landung wohl gar nicht mehr in ihren Überlegungen vorkam. Das bewies schon mal, dass sie nicht unfehlbar waren.

    Zwei Stunden später war ich längst nicht mehr so überzeugt von meiner Idee! Die Tier- und Pflanzenwelt dieses Planeten hatte mich nicht gerade willkommen geheißen, sondern sich nach Kräften bemüht, mich umzubringen. Plötzlich aus dem Boden schießende Dornenranken, riesige Schnapppflanzen und doggengroße Viecher, deren Kopf fast nur aus Zähnen zu bestehen schien, hatten mich verschiedentlich angegriffen. Bislang hatten meine Projektilwaffe und die Monofasermachete sie immer überzeugt, sich etwas anderes zu suchen, aber ich wurde langsam müde. Ein weiterer Blick auf den kleinen Ortungsschirm zeigte an, dass ich fast bei dem Bauwerk angekommen war. Und dann würde sich schlussendlich erst zeigen, ob mein Plan wirklich etwas taugte. Wenn sich die Maschinerie nicht abschalten ließ, dann war alles für die Katz gewesen und ich könnte mich den, wahrscheinlich recht kurzen, Rest meines Lebens mit den verfressenen Nachbarn und dem Unkraut rumschlagen. Schließlich trat ich aus der Bewuchszone heraus auf eine weitflächige Freizone, in deren Mitte sich das Bauwerk erhob.

    Die Antennen und Ortungsschüsseln bestätigten einen Teil meiner Vermutungen, wie sich der Gegner abgesichert hatte. Würde jetzt auch nur ein ChangeBot seinen Meiler anfahren, dann würde ich hier im Zentrum eines schnell expandierenden Glutballes stehen. Da ich aber so gut wie keine Elektronik bei mir trug, war die Anlage still geblieben. Vorsichtig schritt ich über die Fläche auf das Gebäude zu, die offenbar gezielt frei gehalten wurde. Da ich keine Tierkadaver sah, hoffte ich, dass es keine automatischen Geschütze gab.
    Auch damit ließ man mich durchkommen, so dass ich direkt vor dem Bauwerk stand und nun ein weiteres Problem angehen konnte, nämlich wie ich da rein kam. Eine Tür hatte ich nicht wirklich erwartet, auch wenn es nett gewesen wäre. Wahrscheinlicher hatte das Teil eine Art Landedeck weiter oben, wo man zu Wartungszwecken landen konnte. Natürlich nur, wenn man den richtigen Code hatte!
    Diesen Punkt hatte die Kommandocrew besonders hervorgehoben, denn wenn ich hier diesen Code abgreifen konnte, dann würde man auf anderen Planeten gleich landen können. Zumindest so lange, bis die Assault es merkten.

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    Mirea Tharsis blickte erneut aus dem kleinen Sichtluk, dass ihr momentan den einzigen Außeneindruck vermittelte, da die Energieversorgung ihres ChangeBots runtergefahren war. Der Planet war jetzt auch für sie und ihre Staffel nah genug, dass sie Einzelheiten auf der Oberfläche ausmachen konnte.
    Deckard war vor mehr als zwei Stunden bereits auf den Planeten und hatte noch keinen Kontakt wieder aufgenommen.
    Das der Planet noch nicht explodiert war, bewies zumindest einer der von ihm aufgestellten Thesen.
    Mirea fragte sich, warum noch niemand anderes auf diese Idee gekommen war. Andererseits musste sie zugeben, dass sie selbst auch nicht im Geringsten an die Möglichkeit einer Überwachungsstation gedacht hatte. Bislang waren alle Kommandos, die in die Nähe von Planeten gelangt waren, mitsamt diesen explodiert!
    War es dieser schon seit 100 Jahren andauernde Kriegszustand, der die Gedanken in eingefahrene Bahnen lenkte?


    Ohne eine Kontaktaufnahme von der Planetenoberfläche durfte sie keine Energie verbrauchen, so dass sie Nahrungskonzentrate, Wasser und Sauerstoffpatronen als einziges zur Verfügung hatte. An die anderen Einrichtungen ihres Biokontaktanzuges dachte sie absichtlich nicht... Alleine das gedankliche Bild der Ableitungen ließ ihre Mundwinkel zucken. Ohne Energie waren die Menschen im Weltraum eine ziemlich hilflose Spezies.
    Erneut versuchte sie aus dem kleinen Sichtluk eine andere Perspektive zu bekommen, um sich von der Stille und der Einsamkeit innerhalb dieser Hülle abzulenken. Zum Glück wurden alle ChangeBot-Piloten auf eventuelle Phobien untersucht, damit sie in Momenten wie diesen nicht durchdrehten.
    Mirea hatte selbst auch schon mal über 40 Stunden in einem defekten ChangeBot festgesessen, der durch das All trieb. Und obwohl sie es schon einmal erlebt hatte, spürte sie den Zug der Leere um sie herum. Man hatte das Gefühl, als ob die Leere des Weltraums das ich aus dem Körper ziehen wollte. Dieses Gefühl kam aber nur dann, wenn man alleine und ohne Energie in einer raumtauglichen Hülle steckte...
    Normalerweise genoß sie es, wenn sie mit dem ChangeBot in unterschiedlichen Konfigurationen unterwegs war. Warum sollte man sich auch Gedanken um das Nichts machen, wenn alles um einen herum summte und vibrierte?


    "Ich hoffe, dass bald etwas geschieht!" dieser Gedanke zuckte ihr immer wieder durch den Kopf.

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    Die glatte Oberfläche des Gebäudes schien mich regelrecht verhöhnen zu wollen. Da die gesamte Umgebung der Anlage durch einen Kahlschlag deckungsfrei gemacht worden war, kam das Heranschaffen von geeignetem Material auch nicht in Frage. Einmal hatte mich die Anlage an sich heran gelassen, aber das garantierte es mir kein zweites Mal.
    Andererseits konnten die Erbauer des ganzen Anlagenteils doch nicht davon ausgehen, dass alles immer hundertprozentig glatt ablief. Da mussten doch irgendwelche Notfallpläne beim Bau der Ablage berücksichtigt worden sein.
    Nachdem ich bereits zum zweiten Mal um das Gebäude herum gelaufen war, entdeckte ich eine versenkbare Klappe, die wohl so eine Art von Fußtritt wie bei Flugzeugen darstellte. Natürlich war sie nicht gerade in idealer Höhe für meinen Körper angebracht, sondern lag gerade noch in meiner Reichweite.
    Mit Hilfe dieser verteilten Trittklappen kam ich dann doch noch an der glatten Oberfläche hinauf auf die Plattform, die wohl den eigentlichen Zugang zu der Anlage gewährte. Nach dem gelungenen Aufstieg musste ich erst einmal verschnaufen.
    Nach einem Blick auf die altmodische Uhr an meinem Handgelenk rechnete ich die Flugbahndaten der anderen kurz nach. Das Geschwader musste inzwischen den Vorbeiflug schon hinter sich haben, da ich entschieden mehr Zeit benötigt hatte, als wir in der ursprünglichen Planung berücksichtigt hatten.

    Interessanterweise erwies sich der Zugang in die Anlage als problemlos, nachdem ich erst einmal auf der Plattform war. Allerdings war das Innere etwas anderes, als ich erwartet hatte. Nachdem ich durch den Zugang in das Innere gelangt war, fand ich mich auf einer Galerie wieder, von der ich einen Blick in die Tiefe hatte.
    Hier drinnen befand sich ein Schacht, der scheinbar kilometertief in die Kruste des Planeten reichte. Die glatten Außenkanten des Schachtes boten mir keinen Hinweis, ob man ihn gebohrt oder per Energiebeschuss geschaffen hatte. Außer dem Schacht und der Galerie gab es nur noch eine recht einfache Kontrolltafel.
    Neben der Kontrolltafel führten Steigeisen zu einer weiteren Luke in der Decke über mir.
    Die eigentlichen Anzeigen auf der Tafel waren nichts Geheimnisvolles… obwohl sie nicht von Menschen gebaut worden war, ließ die einfache Anordnung keinen Zweifel daran, wofür die Bedienelemente gedacht waren.
    Die ganze Technik hier drinnen war nichts Besonderes. Oben waren die Ortungsanlagen eingebaut, durch die ein Signal an die Kontrolltafel ausgeschickt wurde. Und diese war dann einfach nur dazu da, eine fiese große Bombe zu zünden, die unten am Grund des Schachtes abgelegt worden war. Leider war diese primitive Technik bislang vollkommen ausreichend gewesen. Jedes Schiff oder Geräte von der Erde sendete bestimmte Frequenzen aus, die von der automatischen Ortungsanlage aufgefangen wurden… und Bumm!
    Mit zwei Handgriffen hatte ich die Anlage gesichert und den Schaltkontakt der Zündanlage entfernt. Um ganz sicher zu sein kletterte ich nach oben zu der Ortungsanlage und schaltete auch diese manuell ab.

    „Mirea Tharsis, ihr könnt landen!“ gab ich schließlich über den jetzt verwendbaren Kommunikator bekannt. Da das Gerät nicht sonderlich groß war, würde es schon einen Moment dauern.
    „Ich hatte schon befürchtet, nie wieder etwas von dir zu hören, Deckard“, drang kurz darauf ihre Antwort aus dem Gerät.
    Im Weltall starteten die Piloten ihre ChangeBots und nahmen erneut Kurs auf den Planeten, dessen Bombe nun keine Gefahr mehr darstellte.

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    Eine Knappe Stunde später waren nicht nur die ChangeBots von Mireas Staffel gelandet, sondern auch ein paar Shuttle vom Trägerschiff.
    Der Stimmung der Leute nach zu urteilen war dies wohl ein Erlebnis, dass ihnen bisher verwehrt geblieben war. Viele der Anwesenden setzten seit vielen Monaten Bordzeit das erste Mal wieder einen Fuß auf einen Planeten.
    Da der Bereich um die Anlage wegen irgendwelcher Technik stets bewuchsfrei gehalten wurde, hatten die Schiffe außerhalb des Kreises aufgesetzt. Nur ein Shuttle mit technischem Personal war direkt auf der Plattform des Gebäudes gelandet, um gleich die Anlage zu untersuchen.
    Die Fachleute waren genau wie ich zuvor von der Primitivität der Anlage überrascht.
    "Also sind wir bislang mit solch billigen Mitteln immer wieder abgefertigt worden!" meinte Mirea, die zusammen mit Lynea ebenfalls zur Anlage gekommen war.
    "Ist wie das alte Prinzip der Honigfalle", meinte ich achselzuckend. "Ein Planet innerhalb der Biosphäre mit einer für Menschen geeigneten Oberfläche und Schwerkraft... Da zieht es jeden hin, der einige Monate im Raum gewesen ist!"
    Mirea Tharsis blickte mich an.
    "Verstehst du was von Psychologischer Kriegsführung, Deckard?"
    "Nein, nicht wirklich. Aber dieses Prinzip beruht auf einer vorhersehbaren Anziehung. Das sie zufällig auch noch schlecht auf die Moral wirkt, ist dabei wohl eher eine Nebeneffekt! Die Assault haben sich schon damals nicht nach menschlichen Maßstäben verhalten, deshalb sollte man nicht den Fehler begehen, sie unter diesem Asspekt zu sehen."
    "Ich fürchte, wir haben einige dieser Punkte schon lange aus den Augen verloren", seufzte Lynea. "Nüchtern betrachtet ist es tatsächlich so, dass alle von der Besatzung scharf darauf sind, mal wieder auf einen Planeten zu kommen!"


    Die Techniker hatten sich inzwischen mit Kransystemen an die Bergung der Bombe aus dem Schacht gemacht. Die Assault hatten den Schacht tief genug gebohrt, damit der Planetenkern bei der Explosion gleich mit betroffen war. Der Sprengsatz selbst erwies sich zwar als groß, aber enthielt keine unbekannte Technologie.
    Irgendwie machte es die Leute von der Forschungsabteilung sogar noch mehr fertig, als wenn sie hier einen unbekannten Supersprengstoff gefunden haben.
    Nachdem sie den Sprengsatz aus der Tiefe geborgen hatten, machten sie sich auch an die Demontage der Scanneranlage.
    Beim Landeplatz hatten inzwischen die Aufbauarbeiten eines Basislagers begonnen.
    Allerdings waren Flora und Fauna des Planeten nicht gerade zurückhaltend gewesen, weshalb man die meisten Anlagen auf gerammte Stützpfeiler stellte.
    Die nächsten Stunden flogen regelrecht dahin, weil es immer irgendwas zu tun gab, während die Unterkünfte und Landeplätze errichtet wurden.

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    Das Geheimnis des pflanzenfreien Raumes um die Gebäudeanlage der Assault hatte sich auch lüften lassen. Im Sockel des Gebäudes waren sehr leistungsfähige Flammenwerfer eingesetzt, die den planetaren Bewuchs in dem Bereich zurückhielten.
    Am Landeplatz der Menschen mussten diese erst einmal lernen, wie aggressiv die hiesigen Pflanzen sein konnten. Die Schnapppflanzen hatten versucht, den Bodenbereich der Stelzen für sich zu erobern. Die einzige Methode, auf diesem Planeten plötzliche Angriffe von Flora und Fauna zu verhindern, war tatsächlich das Freibrennen. Die aufgestellten Schutzzäune waren von den Dornranken einfach untergraben worden.

    „Wir leben wohl schon zu lange im Weltall“, meinte Linea, nachdem die letzten Verletzten in das Sanitätszelt gebracht worden waren. Eine der namenlosen Bestien, deren Kopf nur aus Zähnen zu bestehen schien, hatte einen der Bautrupps angegriffen.
    „Wir beginnen die Ausbildung ja früh und werden dann schnell auf Schulungsstationen und Raumschiffe versetzt.“
    Ich saß mit den beiden jungen Frauen im Messezelt, das auf einer der Plattformen schon errichtet worden war. Wegen den vielen Verletzten hatte ich mich verwundert gezeigt, ob die Besatzung keine Erfahrung im Umgang mit planetaren Naturgefahren habe.
    Tatsächlich waren die wenigsten von ihnen jemals in freier Natur gewesen. Die Umgebung von Städten, Parks und einige Naturgebiete waren so ziemlich das Einzige, was sie von Planeten kannten.

    „Der Kampf gegen die Assault hat die Gesellschaft in den letzten hundert Jahren bestimmt. Obwohl die Völker der Welt sich angesichts der Bedrohung zusammengeschlossen haben, war das Bestreben nach Verteidigung zum wichtigsten Beweggrund geworden. Die Zivilbevölkerung geht dabei einem ganz anderen Leben nach, als es die Weltstreitkräfte tun.“ Linea schien es zu genießen über diese Dinge sprechen zu können.
    „Schon während der Schule wird die Zukunft festgelegt. Die Streitkräfte benötigen wegen der Planetenbomben immer Nachschub! Alle Anwärter für ChangeBots werden deshalb frühzeitig von den Schulen geholt. Die Ausbildung beginnt zwar noch in planetaren Kasernen, wird aber sehr schnell ins All verlegt!“ ergänzte Mirea die Ausführungen von Linea.

    Ich stellte fest, dass es inzwischen viele Punkte gab, bei denen sich die Bedeutung verändert hatte. Meine Zeit auf der Erde lag nach meinem Zeitempfinden noch nicht so lange zurück, aber trotzdem waren meine Erfahrungen so anders als die der Beiden vor mir.
    „Durch die Neuralkontakte, die für die Verbindung zu den ChangeBots benötigt werden, müssen wir mehrere Wochen in einer keimfreien Umgebung zubringen“, setzte Mirea an.
    Die Anschlussbuchsen waren unter ihren Haaren verborgen und wurden nun kurz gezeigt, als sie die Haare zurück strich. Diese Art der direkten Verbindung hatten sie damals zwar aufgezeigt, aber so weit waren wir noch nicht gewesen. Die Reaktionsschnelligkeit einer direkten Neuralkontrolle hatte uns bei dem ersten Angriff viele Verteidiger gekostet.
    Einige Wissenschaftler hatten damals eine indirekte Kontrolle konstruieren können, die in die Helme der Piloten integriert wurde. Dadurch entstanden zwar winzige Verzögerungen, aber mehr hatten die ganzen schlauen Köpfe der Welt nicht zusammenbasteln können.

    „Der direkte Neuralkontakt war zum Zeitpunkt meines Starts noch nicht anwendbar. Die Gehirnchirurgie befürchtete Schäden durch erzwungene Synapsenbildungen. Haben sie das dann doch in den Griff bekommen?“ stellte ich meinen, heutzutage völlig veralteten, Wissenstand dar.
    Die Reaktion der beiden bestand aus überraschten Blicken.
    „Man machte sich Gedanken um mögliche Schäden?“ echote Mirea.
    „Die besten Militärärzte befürchteten eine Einsatzbeschränkung der Piloten von…“ setzte ich gerade an.
    „Acht bis zehn Jahren. Danach tritt eine Regression der Synapsen und das Jungclauss-Syndrom ein!“ vollendete Mirea meinen Satz mit einer fast tonlosen Stimme. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. Sie hatten tatsächlich die medizinischen Bedenken über Bord geworfen und alles auf das Überleben der Menschheit gesetzt?!

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    Die Blicke der beiden jungen Frauen waren direkt und zeigten etwas Verwunderung. Scheinbar begriffen sie mein Erschrecken nicht wirklich, da die Umstände für sie bereits eine Tatsache waren.
    Damit rückte aber auch die Aktion mit den ChangeBots in ein anderes Licht…
    Im Gegensatz zu den Bedenken, die man zu meiner Zeit auf der Erde noch gehegt hatte, waren inzwischen wohl tiefgreifende Änderungen erfolgt. So betrachtet schienen auch die Verluste beim Anflug eines Planeten einfach akzeptiert worden zu sein. Es war fast wie die japanischen Kamikazeflieger, die im zweiten Weltkrieg auf Selbstmordmissionen geschickt wurden.

    Zwischen meiner Einstellung und der heutigen Gesellschaft vergrößerte die Kluft sich immer mehr. Ob ich nun völlig veraltet war, trotz dass mein biologisches Alter bei meinem letzten Sprung zurückgesetzt worden war, oder einfach nur nicht anpassungsfähig, jedenfalls konnte ich die Tatsachen nicht so einfach akzeptieren!
    „Deckard? Du siehst ziemlich überrascht aus“ meinte Mirea mit leicht schief gelegtem Kopf.
    „Bin ich auch!“ gab ich offen zu. „Die Gesellschaft hat sich sehr verändert, seit ich zuletzt Kontakt zu ihr hatte.“
    „Ich finde es auch schwer nachvollziehbar, dass du eigentlich 43 Jahre alt bist!“ hielt Linea dagegen.
    Ihre Direktheit brachte mich zum Lächeln. Ich wäre in meinem tatsächlichen Alter das älteste Besatzungsmitglied der Nevertheless, sogar ganze zwei Jahre älter als Captain Schulick. Aber durch den Sprung war die Lebensuhr meines Körpers zurückgedreht worden.

    „Ich habe ein solches Zeitphänomen bislang noch nie gesehen!“ hatte die leitende Bordärztin nach meiner Untersuchung begonnen. „Die Zellen ihres Körpers wurden wieder in den Zustand der Jugend versetzt, aber die Synapsen ihres Gehirns haben sich nicht verändert. Demzufolge besitzen sie weiterhin ihr angesammeltes Wissen und die Erfahrungen ihres Lebens.“
    Nach ihrer Erklärung hatte ich also den Jungbrunnen gefunden! Auswirkungen waren nach medizinischer Sicht nicht zu erwarten. Die Ärztin hatte es als Chance für mich umschrieben, noch einmal ein neues Leben beginnen zu können.

    Mirea hatte einen Moment über meine Antwort nachgedacht.
    „Kommst du dir fremd vor?“ hakte sie dann nach.
    Das war eine wirklich gute Frage.
    „Er ist ein Langstreckenscout. Die wurden nicht gerade wegen ihrem Bedürfnis nach Gesellschaft ausgewählt!“ kam eine andere Stimme von einem anderen Tisch im Messezelt. Ich wandte mich zu dem Sprecher um. Er trug eine Art von Panzerung, was ihn zu einem Mitglied der Bodentruppen machte. An dem Tisch saßen nur Trooper. Und sie hatten augenscheinlich ein Anliegen…
    „Was habt ihr denn für ein Problem?“ fragte Linea.
    „Was ist an dem Kerl so interessant, dass er mit gleich zwei Mädchen an einem Tisch sitzt?“ kam prompt eine Gegenfrage. Manche Dinge hatten sich kein bisschen verändert.

    Ob ich denen nun zustimmen oder wiedersprechen würde, war vollkommen egal. Die Jungs hatten sich auf Krawall eingestellt und würden ihn auch vom Zaun brechen. Alle Trooper am Tisch hatten sich zum Aufspringen bereit gemacht, als ich mich zu ihnen umwandte.
    „Als kommandierender Offizier eines CB-Geschwaders verlange ich…“ setzte Mirea an, aber die Situation war mit Worten nicht mehr beizulegen. Was auch immer die Trooper so aufgebracht hatte, sie waren jetzt auf Blut aus.
    Ich stand wortlos auf. Die Blicke aller am Tisch sitzenden waren auf mich gerichtet. Die verkniffenen Züge der jungen Männer wirkten drohend. Das Scharren von Stuhlbeinen in der näheren Umgebung ließ darauf schließen, dass die übrigen Anwesenden sich der Situation bewusst waren.
    „Eingebildeter Sack!“ stieß der erste Sprecher aus und startete damit den Kampf.

    Alle Trooper am Tisch reagierten wie auf ein abgesprochenes Stichwort und sprangen auf. Auf der mir zugewandten Tischseite hechteten sie gleich in meine Richtung. Die Jungs sollten mich wohl gleich festnageln, damit die anderes sich austoben konnten. Linea stürzte mit ihrem Stuhl zur Seite und rollte sich am Boden ab, während ich einem Trooper mit einem Schulterstoß aus dem Kurs warf. Die Bewegungsenergie nutzend flog ich einem weiteren Angreifer entgegen und rammte ihm das rechte Knie ins Gesicht. In dem allgemeinen Tumult konnte ich das Geräusch nicht hören, spürte aber das Brechen seiner Nase beim Kontakt. Antrainierte Reflexe ließen mich abtauchen, bevor ich den Schlag auch nur bewusst sehen konnte. Tische und Stühle flogen durch die Gegend. Mit einer Fußsense brachte ich zwei weitere Gegner zu Fall, als ein peitschender Knall die ganze Szenerie einfrieren ließ.

    Mit einer recht plump wirkenden Waffe in der Hand stand Mirea auf dem Tisch, auf dem sich bis vor Kurzem noch das Essen befunden hatte. Sie hatte den ausgestreckten Arm bereits wieder gesenkt und in die ungefähre Richtung des Kampfplatzes gerichtet.
    „Ich glaube, ihr habt mich nicht verstanden, Trooper!“ sagte sie in die plötzlich eingetretene Stille. Ich setzte mich auf den Boden. Dieses Mädchen mit vielen Zöpfen, die zu einem komplizierten Gebilde zusammengesteckt waren, war echt eine Nummer für sich. Die Jungs in den Panzerungen starrten aber mehr auf die Waffe in ihrer Hand.
    „Der Einsatz eines „Blähers“ ist auf der Erde verboten!“ kam es von einem der Gepanzerten.
    „Wir sind hier aber nicht auf der Erde, Trooper!“ erinnerte sie ihn knapp.
    Mir sagte der Begriff erst einmal nichts.
    „Es macht Ihnen vielleicht klar, wie ernst die Lage ist, Trooper!“ fuhr Mirea fort. „Ich werde keinen Kampf dulden und ihre Aggressivität endet genau hier und jetzt! Anderenfalls werde ich diese Waffe gegen sie einsetzen. Und die Wirkung auf organisches Gewebe dürfte ihnen hinlänglich bekannt sein!“
    Sie wirkte jetzt absolut nicht mehr wie ein junges Mädchen.

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    Noch immer bewegte sich niemand im Messebereich, wenn man einmal von den Augen absah. Die vorher spürbare Anspannung in der Raumatmosphäre war verflogen. Ich hatte die Ausstrahlung bereits vor der ersten Äußerung des Soldaten wahrgenommen. Deshalb war mir auch klar gewesen, das Worte nicht helfen würden. Nach diesem kurzen Ausbruch von Handgreiflichkeiten und dem Einsatz dieser Waffe hatte sich sozusagen alles verflüchtigt.
    Ich legte die Unterarme auf die angewinkelten Knie und wartete ab. Welche Abzeichen die kurz darauf erscheinenden Leute auch hatten, sie waren Militärpolizei! Nach einer kurzen Orientierung innerhalb des Messezeltes strebten sie zielstrebig auf den Pulk zu, in dem ich am Boden saß.
    „Was geht hier vor?“ verlangte der Anführer der MP zu wissen.


    „Mirea Tharsis, Staffelführerin bei den CB. Diese Männer dort haben ohne einen Grund einen Kampf begonnen!“ informierte sie den Mann, ohne ihre Position zu verändern.
    Der Streifenführer der MP blickte auf die Waffe in ihrer Hand und runzelte die Stirn. Offenbar war dieser Waffentyp etwas Besonderes.
    „Auch als Offizier der CB ist diese Waffe nicht gerade Standard“ meinte er dann. Im Gegensatz zu den Soldaten schien ihm aber bewusst zu sein, dass einige Gesetze nicht Off-Planet Gültigkeit hatten. In seiner Stimme war auch keinerlei Vorwurf zu hören.
    „Nun, Gentlemen? Was haben sie zu ihrer Verteidigung anzuführen?“ wandte er sich umgehend an die Soldaten. Diese konnten wegen der vielen Zeugen im Messezelt nun nicht gerade Ausflüchte ergreifen.


    „Er ist ein Langstreckenscout“ brummte einer von ihnen, als wäre das schon Grund genug. So wirklich wussten die Trooper wohl selbst nicht, was sie eigentlich so aufgebracht hatte.
    „Wegen dem Typen sind einige Kameraden drauf gegangen!“ kam plötzlich ein ganz und gar anderer Punkt auf. Überrascht wandte ich mich zu dem Sprecher um.
    „Er war als erster auf dem Planeten und hat uns nicht ausreichend über alle Gefahren informiert!“ führte der Soldat mit grollender Stimme an. Seinen Blicken nach hätte ich wohl tot umfallen sollen.
    „Seine Mission war die Planetenbombe, Trooper! Dafür, dass dieser Mann alleine hierhergekommen ist und dann ein uns bislang nicht bekanntes Gebäude auf einem nicht erkundeten Planeten finden musste, hat er eine Menge Informationen mitliefern können! Wenn ihre Einheit diese als abschließend betrachtet haben sollte, dann frage ich mich wozu man sie geholt hat?!“ Mirea ließ in ihrer Stimme einen scharfen Unterton einfließen.
    Der Streifenführer der MP hatte bei den Worten des Soldaten ebenfalls die Augen zusammen gekniffen. Ich hielt weiterhin den Mund und wartete ab.


    „Haben Sie tatsächlich geglaubt, dieser Mann hätte den Auftrag der Truppen bereits im Alleingang erledigt?“ fragte der Streifenführer mit einem lauernden Unterton. Der Trooper kniff verstockt die Lippen zusammen und sagte gar nichts.
    Ich hatte dadurch wenigstens eine Ahnung, warum die Soldaten aufgebracht gewesen waren. Scheinbar hatten sie die aggressive Flora und Fauna unterschätzt und dabei Kameraden verloren. In einigen Gesichtern war bei Mireas Vortrag eine Reaktion erfolgt. Sie hatten nicht einmal berücksichtigt, dass ich alleine hergekommen war. In ihren Überlegungen war ich wohl der Scout gewesen, der die Oberfläche des Planeten für die Landung untersuchen sollte.
    Der Streifenführer nickte langsam, als jede Antwort ausblieb. Die Trooper wollten sich jetzt keine Blöße mehr geben.
    „Hab ich mir gedacht! Dann mal Aufstellung, meine Herren!“ setzte der Streifenführer nach weiteren Momenten des Schweigens wieder an. Wortlos reihten sich die Trooper auf und wurden von der MP aus dem Zelt begleitet.


    Nachdem die Soldaten das Messezelt verlassen hatten, stieg Mirea wieder vom Tisch herunter und ich rappelte mich vom Boden auf.
    „Manche Dinge ändern sich wohl niemals“, meinte ich dabei.
    „Sie schienen es ja geradezu vorhergesehen zu haben, Deckard“, sagte Linea nachdenklich.
    „Die Stimmung ließ sich wahrnehmen, deshalb konnte ich mir denken, was passieren würde!“ erklärte ich ihr. Mirea hatte die Waffe wieder in ihr Gürtelholster geschoben und nahm auf ihrem Stuhl Platz.
    „Was hat es mit der Waffe auf sich?“ fragte ich, nachdem ich mich auch wieder gesetzt hatte.
    Sie legte ihren Kopf leicht schief.
    „Der „Bläher“ verwendet Nadeln mit einem Biotoxin, das bei bekannten Lebensformen zu Gewebeschwellungen führt. Die elektromagnetisch beschleunigten Nadeln durchschlagen auch Panzerungen bis zu einer gewissen Dicke“, umschrieb sie die Waffe. „Wird man von mehr als drei Nadeln getroffen überschreiten die Schwellungen beim Menschen ein kritisches Maß und führen zu einem äußerst unschönen Tod!“
    Das erklärte die Reaktion der Trooper. Zum Zeitpunkt meines Starts von der Erde waren die Magnetbeschleunigerschienen noch zu groß gewesen, so dass sie nur auf großen Raumplattformen oder Monden installiert werden konnten. Da hatte sich scheinbar einiges getan.

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    3. On Planet


    „Durch diese Planetenbasis werden wir erstmals einen raumschiffunabhängigen Ausgangspunkt neben der Erde haben“, begann Captain Schulick seine Ansprache an die angetretene Besatzung. Die Nevertheless war mit ihrer Begleitflotte in den planetaren Orbit getreten.
    Alleine durch das Wissen, sich einmal wieder außerhalb der künstlichen Atmosphäre eines Raumschiffes bewegen zu können, war die Besatzung schon aufgeregt. Für viele war dieser Punkt sogar wichtiger als das sie zum ersten Mal eine planetare Bombe hatten entschärfen können.
    Die Menschheit hatten bislang in dem Wissen kämpfen müssen, dass die Erde ihr einziger bewohnbarer Planet war, dessen Position aber auch dem Gegner bekannt war.
    „Wir werden hier erst einmal Station machen und auf der Oberfläche den Ausbau der Basis vornehmen. Die Flotte wird das planetare System mit Sensoren ausstatten, damit andere Schiffe nicht erst bemerkt werden, wenn sie in den Orbit einschwenken.“


    Die Rede des Captains wurde auch auf die Oberfläche übertragen. Ich hatte mir eine ruhige Ecke gesucht, von der aus ich die Worte hören konnte.
    Von den anderen hatte ich erfahren, dass diese Situation ungewöhnlich war. Ein weiterer Planet hatte offenbar eine ziemlich hohe Priorität, wenn er sich kolonisieren ließ. Dafür konnte sogar die eigentliche Mission der Flotte unterbrochen werden. Mirea und ihre Staffel von CB war zu einem Patrouillenflug abkommandiert worden, während sich die Flotte gesammelt hatte. Neben der eigentlichen Kolonie sollten die äußeren Planeten als vorgeschobene Ortungsposten genutzt werden.
    Der Captain wusste die gewonnenen Informationen zu nutzen. Da die Kommunikation zur Erde nicht überlichtschnell erfolgen konnte, hatte er ein kleines Schiff als Kurier zurückgeschickt, um direkt Meldung zu erstatten. Mit einer Verstärkung und entsprechenden Baumaterialien rechnete er deshalb schon jetzt. Mir war zu dem ganzen klar geworden, dass eine Rückkehr zur Erde zwar möglich, aber nicht sehr weit oben auf der Liste der gewünschten Ereignisse stand. Dort lebte niemand mehr, den ich mal gekannt hatte! Außerdem sah ich ja eher wie einer von den jungen Kadetten in der Flotte aus.