Tag 30 - 10:17 Uhr - Ein virtueller Raum
"Sie dürfen diese Bewusstseins-Insertion nicht mit einem Tiefenscan verwechseln, Miss Yoshida", ging Sean auf die Frage ein. "Es gibt sehr viele Unbekannten, die wir nicht vorhersehen können. Ich kann ihnen nur empfehlen, sich nicht von diesem Ryu zu trennen, wenn sie drin sind. Was passieren könnte, wenn sie getrennt werden? Die Spanne reicht da von gar nicht bis hin zum plötzlichen Tod! Dieser Einsatz ist keine feste Wissenschaft, sondern ein noch ziemlich unerforschtes Gebiet."
Der neutrale Raum war eine künstliche Projektion für die Anwesenden, um sich an eine andere Umwelt zu gewöhnen. Die virtuelle Umgebung wurde durch einen speziellen Computer geschaffen, aber er war eine mehr als schwache Vorbereitung für ein lebendes Bewusstsein.
"Wir stoßen hier in das Unterbewusstsein vor, dort gibt es unendlich viele Möglichkeiten... alle Wünsche und Träume sind dort, genauso wie alles Böse, das wir Menschen in uns tragen! Es liegt im Bereich des Möglichen, dass wir eine ganze Menge Ryus dort drinnen vorfinden werden. Je nachdem, wie oft er sich gewünscht hat, jemand anderes zu sein... Unser eigentliches Ziel ist dieser böse Teil, der es schon mehrfach an die Oberfläche des Bewusstseins geschafft hat! Alles andere sollten wir ignorieren, wenn es geht", ergänzte Senry. "Denken sie auch daran, dass wir nur noch ein leitende Stimme zur Verfügung stehen werden, sobald sie drin sind. Ryu-san würde niemals akzeptieren, dass wir sein Innerstes sehen, ganz egal, was sein bewusstes Selbst sagt! Aus diesem Grunde würden wir sie nur zusätzlich gefährden. Er hat sie beide als Begleiterinnen akzeptiert, somit liegt die Hauptlast bei ihnen, meine Damen!"
An einer Wand des Raumes erschien eine Tür, die sich ganz von selbst öffnete. Dahinter lag ein beängstigender Wirbel in dem verschiedene Rottöne sich vermischten und der von weit gezackten Blitzen durchtost wurde.
"Das ist der Einstieg", sagte Sean mit einer Bewegung seines Armes. "Und man kann an diesem einladenden Spektakel auch sehen, dass man sie bereits erwartet! Es macht keinen Sinn, noch weiter nach Dingen zu fragen, die wir ihnen nicht sicher beantworten können. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser... und wahrscheinlich ein überaus einmaliges Erlebnis! Sie werden das Unterbewusstsein eines anderen Menschen kennen lernen. Etwas, dass nicht vielen Menschen ermöglicht wird."
"Hals und Beinbruch!" wünschte Senry ihnen, als der Raum bereits zu schrumpfen begann.
Im nächsten Augenblick stürzten die Drei bereits durch den Wirbel...
Tag 30 - 10:17 Uhr - Gelände der Akademie - Büro der Direktorin
Valentina blickte auf den Jungen, der ihr gerade gegenüber saß. Nachdem der Tag schon sehr früh von ihr begonnen worden war, hatte sie eigentlich keine Steigerung mehr erwartet. Als Hagen ihr dann den bereits von ihm entschlüsselten Teil der Übertragung der anderen Yuna Sakaiba erzählte, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken runter.
Bis jetzt hatten sie nichts aus dieser zweiten Yuna heraus bekommen. Sie war fast sofort in ein Koma gefallen und bislang noch nicht wieder erwacht. Innerhalb ihres Spezialanzuges hatten sie einige Erweiterungen gefunden, die bislang noch gar nicht erfunden waren. Von diesen Erkenntnissen hatte sie nichts nach außerhalb verlautbaren lassen, da man dort schon genug zum Nachdenken hatte. Die ganze Angelegenheit betraf eh nur die Akademie hier auf der Insel.
"Wir brauchen die ganze Nachricht, die diese andere Yuna übermittelt hat", meinte Valentina dann langsam.
"Leider ist das nicht so einfach zu bewerkstelligen. Durch das Pentagramm wurde wohl ein Teil entschlüsselt, möglicherweise durch die Verbindung beider Pentagramme..." Hagen zuckte zweifelnd in den Schultern.
"Das ist bislang auch noch nie vorgekommen! Nicht nur, dass ihr eine viel größere Art des Pentagrammes geschaffen habt, sondern auch noch einen Austausch zwischen zwei Pentagrammen", fasste die Direktorin noch einmal für sich zusammen. "Nicht viele haben eine Ahnung, was da draußen außerhalb der Insel vor sich geht..."
"Es macht einen auch nicht gerade glücklich..." erwiderte Hagen leise.
"Es wird auch noch schlimmer werden!" orakelte die Direktorin und hielt dabei ihre Gedanken unter Verschluss.